Jamin Deutscher
Dysfunktionale Sphären Hawaiis
Aktualisiert: 28. Jan. 2022
Der Inselstaat Hawai'i glänzt auf den ersten und zweiten Blick mit Tropen-Ydille und der grossartigen Aloha-Willkommenskultur. Die Nöte und Missstände werden sehr ungern in Reisbroschüren beschrieben – das Traumurlaub-Image gelingt perfekt. Das Hawai'i ein der wichtigsten Flottenstützpunkt der USA wurde, lässt sich von dem Angriff auf Pearl Harbor im ersten Weltkrieg ableiten. Dabei starben 2'400 Soldaten. Doch dies war und ist, unserer Meinung nach nicht der grösste 'Schicksalschlag' der dieser Inselstaat erlitt. Viel mehr sind es die Nöte in den verschiedenen Sphären der Gesellschaft auf Hawai'i, durch welche sich Elend reproduziert. Folglich listen wir, dysfunktionale Bereiche denen wir bisher begegnet sind.

Bildung – Gesparrt am falschen Ort Sparmassnahmen bei bereits tiefen Schulleistung
Als Sparmassnahme wurde der Unterricht freitags gestrichen, obwohl Hawai'i bereits negativ betreffend den Schulleistungen auffiel. Der ehemalige Präsident Obama, welcher in Hawai'i aufwuchs, ging 'natürlich' auf eine Privatschule. „In einer Untersuchung der Schülerleistungen in allen 50 Bundesstaaten landete Hawaii im Jahr 2007 auf Platz 47. Untersucht wurden die Leistungen von Achtklässlern im Lesen und in Mathe. Fällt wie geplant an 17 Freitagen der Unterricht aus, wird auf Hawaii mit insgesamt 163 Unterrichtstagen im Schuljahr künftig so wenig unterrichtet wie nirgendwo sonst in den USA.“ (SPIEGEL)

Nahrung und Versorgung Import statt Eigenanbau
„‚Vor zwanzig Jahren war das nicht der Fall‘, sagt Zaragoza-Dodge. ‚Hawaii hatte früher viele lokale Molkereien, Weizen, Fleisch und Reis. Wir haben die Kapazitäten.“
„Eierfarmen haben geschlossen, Schweinefarmen haben geschlossen, es gibt nicht mehr viele Molkereien“, sagt Nancy Redfeather, Programmdirektorin am Kohala Center, einem unabhängigen Zentrum in Hawaii, das sich auf Gemeinschaft, Naturschutz und Bildung konzentriert. (…)
„Es ist billiger, Lebensmittel vom Festland zu importieren. Die Regierungspolitik könnte helfen, die Situation zu verbessern, aber das haben wir nicht.’“ (smartcitiesdive)
„‚Twenty years ago, this was not the case,‘ Zaragoza-Dodge says. ‚Hawaii used to have lots of local dairies, wheat, meat and rice. We have the capacity.‘
‚Egg farms have closed, pig farms have closed, there are not many dairies left,‘ says Nancy Redfeather, program director at The Kohala Center, an independent center in Hawaii focused on community, conservation and education. (…)
‚It's cheaper to import food from the mainland. Government policies could help remedy the situation, but we don't have that.’“ (smartcitiesdive)
Essensvergleich Aldi vs Kona Food
Lebensunterhalt und Arbeit Kostenspielig – hohe Mieten und teures Essen
Hawai'i ist bekannt als sehr teure Feriendestination. Touristen bringen gerne Geld für Ferien auf. Doch vor Ort zu leben, scheint für viele ein Kampf zu sein. Selbst in den einheimischen Wohngebieten und da wo die 'locals' einkaufen, übertreffen sie die Schweiz in Mietpreisen (Verhältniss Wohnflläche zu Preis zu Lage) und Kosten für Nahrungsmittel. In der Schweiz können wir als Familie ein Essen mit frischem Gemüse und Teigwaren für nur ein paar Franken kochen. In Hawai'i haben wir es nie unter 10 Dollar circa 10 Franken geschafft. Tomatensauce für acht Franken? – Dabei standen wir nicht im Globus am Marktplatz in Basel-Stadt.
"Tagtägliche Lebensnotwendigkeiten, wie z.B. Lebensmittel, kosten im Durchschnitt circa 30 Prozent mehr auf Hawaii als auf dem Festland." Das ergibt sich aus den Anlieferungskosten // dem grösseren Warenbestand, welche die Händler haben müssen // hohen Gebühren für die Lager- und Verkaufsgebäude und durch die Mehrwertssteuer von vier Prozent.
Living in Hilo (andere Seite von Bis Island) – Interview zu Lebenskosten
Sozialsystem und Unterstützung
Die vielen Schattenseiten und der Mangel im Unterstützungssystem
„1 von 6 Menschen auf Hawaii lebt in Armut. (…) Tränen füllten meine Augen, als ich mit einer örtlichen Sozialarbeiterin sass, die von den vielen Nächten erzählte, die sie auf ihrem Büroboden mit Kindern verbracht hatte, die nirgendwo hingehen konnten, weil es auf Hawaii stark an Pflegefamilien mangelte.“ (Jensen)
„1 in 6 people in Hawaii live in poverty. (…) Tears filled my eyes as I sat with a local social worker who shared about the many nights she slept on her office floor with children that had nowhere to go due to Hawaii severely lacking in foster homes.“ (Jensen)
Beim Besuch vom Pragnancy Center in Kona, welches YWAM führt, erfuhren wir von der hohen Anzahl an Jugendschwangerschaft. Meist treiben die Teenager ab. Der Grund dafür ist oft fehlende Unterstützung. Die Familie scheint schon ausgelastet zu sein und staatliche Unterstützungsstrukturen gibt es nicht.
Hohe Migration, Obdachlosigkeit und Drogenkonsum verstärken die herausfordernde Lage auf den Inseln.
Die Schattenseiten von Hawaii – Bericht über Obdachlosigkeit vor Ort
Probleme auf Hawaii – Herausforderungen, mit denen sich die Inseln und Menschen abgeben müssen.
Recht und Politik Traurige Geschichte über Missachtung der Rechte und ursprünglichen Kultur
The Stolen Paradise – Bericht über die Geschichte von Hawaii
Umsturz von Königin Liliuokalani – der Untergang des hawaiianischen Königreichs
„Queen Liliuokalani ist für viele Hawaiianer eine Symbolfigur. Sie war die erste regierende Königin, sie kämpfte für die Unabhängigkeit und den Erhalt der hawaiianischen Kultur, sie setzte sich für mehr Freiheiten für Mädchen und Frauen ein, und sie schrieb mehr als 200 Lieder (…) Liliuokalani wuchs in schwierigen Zeiten auf. 1810 hatte König Kamehameha erstmals alle Inseln in einem Reich vereinigt. Hawaii wurde ein wichtiger Handelsposten für Seefahrer im Pazifik. (…) Konflikte zwischen der Lebensweise der Einheimischen und den Werten der Eingereisten traten auf. (…) Viele Hawaiianer hatten ihr Land verloren und arbeiteten auf Plantagen weißer Dienstherren. (…) 1875 vereinbarte Kalakaua mit den Vereinigten Staaten die zollfreie Einfuhr hawaiianischer Produkte. (…) Die Folge war ein Boom auf den Inseln. Vor allem die Zuckerindustrie profitierte (…)
Am 14. Januar 1893 war es so weit. Die Königin rief ihr Kabinett zusammen, um den Plan einer Verfassungsänderung bekanntzugeben: Sie wollte die „Bajonett-Verfassung“ aufheben, die dem geschwächten König Kalakaua 1887 aufgezwungen worden war und die Rechte der Monarchin sowie das Wahlrecht hawaiianischer und asiatischer Arbeitskräfte einschränkte. Als ihre Widersacher im „Annexion Club“ um den Anwalt Lorrin Thurston, einen Missionars-Enkel und scharfzüngigen Polit-Lobbyisten, von den Plänen erfuhren, sahen sie ihren wachsenden Einfluss in Gefahr. Also nutzten sie die angespannte Situation, um einen langgehegten Plan umzusetzen - die Machtübernahme in Honolulu. (…)
Die 162 Soldaten der U.S.S. Boston marschierten in Honolulu ein. Liliuokalani verfolgte vom Iolani Palace aus, wie sie mit Kanonen, Gewehren, Munitionsboxen durch die Stadt zogen. Die Königin hätte den Soldaten weit mehr bewaffnete Männer entgegensetzen können, verzichtete aber auf eine Konfrontation, um Blutvergießen zu vermeiden. (…)
Liliuokalani setzte ihre Hoffnungen auf die Vereinigten Staaten. Tatsächlich veränderte der Wechsel von Präsident Harrison zu Präsident Cleveland die Lage. Cleveland ernannte einen Sondergesandten für Hawaii (…) Cleveland schrieb 1898 dazu: ‚Unser Eingreifen in die Revolution auf Hawaii 1893 war schändlich für unsere nationale Ehre und unseren guten Namen.’ (…)
Der amerikanische Kongress gab einen eigenen Bericht in Auftrag, der die Verantwortung für den Umsturz allein bei der Königin sah. Cleveland zögerte, das Dole-Regime militärisch zu entmachten. Inzwischen erließ die Übergangs-Regierung eine neue Verfassung, nach der nur wenige Einheimische und gar keine Asiaten wählen oder ein Amt ausüben durften. Jeder, der wählen wollte, musste zuvor einen Eid ablegen, dass er nicht die Wiedereinführung der Monarchie unterstützte. Auf dieser Basis rief Präsident Dole am 4. Juli 1894 die Republik Hawaii aus. (…)
Am 16. Januar 1895 wurde Königin Liliuokalani verhaftet. Zuvor war ein dilettantischer Umsturzversuch in Honolulu aufgeflogen. Die Königin wurde beschuldigt, davon gewusst zu haben. Vor einem Militärgericht wurde sie des Verrats angeklagt. Im Lauf des dreitägigen Prozesses, der im Thronzimmer des Königspalasts stattfand, wurde die Anklage auf Mitwisserschaft bei Verrat abgemildert. Liliuokalani leugnete, von dem unglückseligen Aufstandsversuch gewusst zu haben. Aus heutiger Sicht ist das unwahrscheinlich - eher wusste sie wohl genug darüber, um ihn als solchen einstufen zu können. Der Prozess verlief formal fragwürdig und endete mit einem Schuldspruch: 5000 Dollar Geldstrafe und fünf Jahre Arrest unter harter Arbeit - die Höchststrafe. (…)
Am 24. Januar 1895 unterzeichnete Liliuokalani ihre Abdankung, um ihren Mitgefangenen die Todesstrafe zu ersparen. Bis September blieb sie im Gefängniszimmer des Palasts inhaftiert, dann wurde die Strafe in Hausarrest umgewandelt. Weitere fünf Monate durfte sie ihr Haus in Honolulu nicht verlassen, bis Oktober 1896 die Insel Oahu nicht. Nach 21 Monaten wurde sie begnadigt und bekam ihre vollen Bürgerrechte zurück. Sie war die letzte Gefangene des fehlgeschlagenen Aufstands - alle anderen waren bis spätestens 1. Januar 1896 frei gewesen. Liliuokalani bemühte sich danach, die drohende Annexion zu verhindern. (…)
Am 11. November 1917, vor 100 Jahren, starb die letzte Königin in Honolulu (…) 1959 wurde Hawaii der 50. Bundesstaat der Vereinigten Staaten. Am 23. November 1993 unterzeichnete Präsident Clinton eine Resolution. Darin bittet der amerikanische Kongress „um Entschuldigung für den Sturz des Königreichs Hawaii“ und ‚für die Aberkennung der Rechte der Hawaiianer auf Selbstbestimmung’.“ (Faz.net 2017)